Was ist eine Enteignung?

Von dem Begriff der Enteignung wird im heutigen Sprachgebrauch inflationär Gebrauch gemacht. Kaum werden in der politischen Diskussion von einer Seite Veränderungen angeregt und entsprechende Maßnahmen vorgeschlagen, echot es von der anderen Seite oder auch von sonst interessierten Kreisen zurück, dass diese vorgeschlagenen Maßnahmen eine „Enteignung“ darstellen würde und damit selbstverständlich unzulässig seien.

Bei näherem Hinsehen stellt sich dann aber heraus, dass der Begriff der Enteignung heutzutage vorzugsweise dann verwendet wird, wenn Besitzstände der eigenen Klientel gegen neue Entwicklungen verteidigt werden sollen.

Diese sich immer wiederholende Übung verstellt etwas den Blick auf die Frage, was eine Enteignung tatsächlich ist. In diesem Punkt helfen auch die Gesetze bei der Definition des Begriffs „Enteignung“ kaum weiter. In Art. 14 Abs. 3 GG (Grundgesetz) ist lediglich geregelt, dass eine „Enteignung … nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“ ist. Das Grundgesetz geht also offenbar davon aus, dass es den Tatbestand einer Enteignung gibt, sagt aber mit keinem Wort, was darunter zu verstehen ist.

Es war dem ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts vorbehalten, im Jahr 1981 im so genannten Nassauskiesungsbeschluss eine Definition des Begriffs „Enteignung“ zu präsentieren, die bis zum heutigen Tag Gültigkeit hat. Danach versteht man unter dem Begriff einer Enteignung „die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben“ (BVerfGE 59, 300).

Eine – entschädigungspflichtige – Enteignung ist immer abzugrenzen von einer – entschädigungslosen – Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Bei weitem nicht jede Beeinträchtigung des Eigentums stellt automatisch eine Enteignung dar. Art. 14 Abs. 1 GG regelt vielmehr, dass Inhalt und Schranken des Eigentums in Deutschland durch die Gesetze bestimmt werden können.

Wird ein Grundeigentümer demnach durch eine gesetzliche Norm oder auch durch eine von staatlichen Behörden getroffene Einzelfallregelung in der Nutzung seines Grundstücks negativ betroffen, dann liegt noch lange keine Enteignung vor. Vielmehr kann von einer Enteignung im Rechtssinne nur dann gesprochen werden, wenn das Grundeigentum

  • von der öffentlichen Hand
  • für ein einer öffentlichen Aufgabe dienendes Vorhaben
  • entzogen wird.

Mit dieser Definition scheiden eine Vielzahl von Beeinträchtigungen, unter denen Grundstückseigentümer mehr oder weniger stark leiden müssen, als Enteignung aus.

So stellt beispielsweise das staatliche Verbot, im Außenbereich ein Wohnhaus zu errichten, eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums dar und hat mit einer Enteignung nichts zu tun. Das gleiche gilt grundsätzlich für andere Beschränkungen der Nutzung und Bebaubarkeit von Grundstücken. Solange die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelten Beeinträchtigungen des Grundeigentums nur angemessen und verhältnismäßig sind, hat sie der Eigentümer regelmäßig entschädigungslos hinzunehmen.

Wird einem Grundstückseigentümer jedoch sein Eigentum von der öffentlichen Hand zum Zweck der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe entzogen, dann liegt eine Enteignung vor, die vom Staat auch zu entschädigen ist. Klassisches Beispiel einer solchen Enteignung ist die Inanspruchnahme von privatem Grund für den Bau einer öffentlichen Straße. Ist ein freihändiger Erwerb des für den Straßenbau notwendigen Grundes nicht möglich, so hat es der Straßenbaulastträger in der Hand, sich die benötigte Fläche im Wege eines Enteignungsverfahrens zu besorgen.